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Gemeinschaft, die bewegt.

Neue Medikamente: Rheuma-Liga bringt Betroffenen-Interessen ein

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Medikamente
Die Deutsche Rheuma-Liga wertet eigene Umfragen zu neuen Medikamenten unter den Mitgliedern des Selbsthilfeverbandes aus.

Hat ein neues Medikament Vorteile gegenüber anderen Präparaten? Das wird geprüft. Die Rheuma-Liga bringt die Interessen von Betroffenen mit ein.

Der Startschuss fiel am 1. Januar 2011: Mit diesem Datum trat das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz, kurz: AMNOG, in Kraft. In den Jahren zuvor waren die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für Arzneimittel ständig gestiegen. Das galt vor allem für die Kosten für neue Arzneimittel. Bis zur Verabschiedung des AMNOG konnten die pharmazeutischen Unternehmen die Preise für neue Arzneimittel selbst festlegen. Das geht seit AMNOG nicht mehr.

Das AMNOG soll gewährleisten, dass neue Arzneimittel bezahlbar bleiben. Stattdessen orientiert sich der Preis für neue Medikamente daran, wie sie im Vergleich zu schon auf dem deutschen Markt befindlichen Arzneimitteln wirken – kurzum, ob sie einen möglichen Zusatznutzen haben. Das Verfahren dazu heißt „Frühe Nutzenbewertung“.

Zulassung neuer Medikamente

Neue Arzneimittel werden in der Regel zentral über die europäische Arzneimittelbehörde EMA (European Medicines Agency) zugelassen, manchmal auch von den nationalen Zulassungsbehörden.

Im Rahmen der Zulassung muss das neue Arzneimittel zeigen, dass es besser wirkt als ein Scheinmedikament (Placebo) und ausreichend sicher ist. Hat die Zulassungsbehörde beides positiv bewertet, erfolgt die Zulassung. Der Hersteller kann das neue Präparat sofort auf den Markt bringen. Sobald es erhältlich ist, hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Aufgabe, sofort die frühe Nutzenbewertung durchzuführen. Diese läuft in mehreren Schritten ab.

Der Weg zur Bewertung

Im ersten Schritt muss der pharmazeutische Unternehmer alle relevanten Studiendaten zum neuen Arzneimittel in Form eines besonderen Berichts dem G–BA vorlegen – das sogenannte Dossier. Dabei ist es besonders wichtig, dass der pharmazeutische Unternehmer Studiendaten vorlegt, in denen Wirksamkeit und Sicherheit des neuen Arzneimittels mit einem schon auf dem deutschen Markt existierenden Arzneimittel verglichen werden – die sogenannte Vergleichstherapie. Damit unterscheidet sich die frühe Nutzenbewertung von der Zulassung, für die sich das neue Arzneimittel gegen ein Placebo bewähren muss.

Ein Dossier entsteht

Liegt das Dossier vor, erhält in der Regel das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) vom G-BA den Auftrag für den nächsten Schritt: Innerhalb von drei Monaten überprüft das IQWiG das Dossier in Hinblick auf Qualität und Vollständigkeit der Daten und gibt eine Einschätzung zum Zusatznutzen ab. In diesem zweiten Schritt wird großer Wert auf die Patientenperspektive gelegt.

Die Deutsche Rheuma-Liga unterstützt diesen Prozess durch die Auswertung von eigenen Umfragen unter ihren Mitgliedern. Wenn beispielsweise ein neues Arzneimittel zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis bewertet wird, schreibt der Bundesverband die Landesverbände und Mitgliedsverbände an und bittet um Verbreitung eines Fragebogens. Ausgefüllte Fragebogen werden vom Bundesverband ausgewertet. Mithilfe der Landesverbände konnte der Bundesverband in den letzten Jahren rund 60 Fragebogen von Betroffenen mit Psoriasis-Arthritis und rund 120 Fragebogen zur rheumatoiden Arthritis auswerten.

Wichtige Anhaltspunkte

In den Fragebogen geht es um einige medizinischen Daten, etwa die Dauer der Erkrankung oder die Auflistung aller verwendeten Medikamente. Darüber hinaus geht es um Probleme im Alltag, die wichtigsten Therapieziele und die Lücken in der Therapie. Die Fragebogen sind sehr hilfreich dabei, wichtige Erkenntnisse aus dem alltäglichen Leben von Betroffenen zu gewinnen.

Nach der Auswertung erstellt der Bundesverband der Rheuma-Liga einen eigenen Bericht für das IQWiG. Dieser hilft den Experten dabei, einzuschätzen, welche Studienergebnisse aus dem Dossier für Betroffene besonders wichtig sind und welche nicht. Nach drei Monaten legt das IQWiG dem G-BA seine Dossierbewertung vor. Die Bewertung enthält einen Vorschlag zum (eventuell vorhandenen) Zusatznutzen.

Zusatznutzen, oder nicht?

Der Hersteller des neuen Arzneimittels, andere pharmazeutische Unternehmen und medizinische Fachgesellschaften bekommen die Möglichkeit, zur Dossierbewertung des IQWiG Stellung zu nehmen. Dann wird im dritten Schritt im G-BA in Berlin über die Ergebnisse der Dossierbewertung und den Vorschlag zum Zusatznutzen des IQWiG diskutiert.

Im G–BA sitzen Vertreter verschiedener Organisationen und Betroffene der Deutschen Rheuma-Liga zusammen und bewerten Vor- und Nachteile des neuen Arzneimittels, wie sie sich aus der Dossierbewertung des IQWiG und den Stellungnahmen ergeben haben. Dabei kann es durchaus zu unterschiedlichen Ansichten kommen, etwa, wenn das neue Arzneimittel im Vergleich zur Vergleichstherapie nicht nur positive Ergebnisse, sondern auch negative Ergebnisse liefert.  

Gut zu wissen: Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA)

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist das höchste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen. Er bestimmt zum Beispiel, welche medizinischen Leistungen die gesetzlichen Krankenkassen erstatten, oder beschließt Maßnahmen zur Qualitätssicherung für Praxen und Krankenhäuser.

Folgende Organisationen sind im G-BA vertreten:

  • Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV),
  • Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV),
  • Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG)
  • Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband)

Patientenvertreter sind in den Gremien des G-BA ebenfalls beteiligt. Sie haben Mitberatungs- und Antragsrechte, jedoch kein Stimmrecht. Patientenvertreter der Deutschen Rheuma-Liga arbeiten bei allen Themen mit, die für rheumakranke Menschen von Bedeutung sind.

Was ist der Zusatznutzen?

Was genau versteht man unter Zusatznutzen? Ein Zusatznutzen liegt vor, wenn das neue Arzneimittel gegenüber der bisherigen Vergleichstherapie die Sterblichkeit senkt. Auch eine Verringerung der Krankheitslast kann einen Zusatznutzen nach sich ziehen. Bei rheumatischen Erkrankungen zum Beispiel würde das bedeuten, dass ein neues Medikament Schmerzen, Morgensteifigkeit oder Funktionseinschränkungen stärker verbessert als die Vergleichstherapie. Ein Zusatznutzen kann sich auch ableiten, wenn das neue Arzneimittel weniger Nebenwirkungen verursacht oder die Lebensqualität verbessert.

Je besser die Studienergebnisse sind, desto positiver ist die Aussage zum Zusatznutzen. Beispiele: Wenn das neue Arzneimittel viel besser als die Vergleichstherapie ist, leitet sich ein „erheblicher Zusatznutzen“ ab. Es kann aber auch sein, dass das Arzneimittel nur geringfügige Verbesserungen in den Studien zeigt, woraus sich entsprechend ein „geringer  Zusatznutzen“ ableitet. In einigen Fällen sind die Studiendaten aber auch so unsicher, dass sich kein Zusatznutzen ableiten lässt („Zusatznutzen nicht quantifizierbar“). Allerdings kann es passieren, dass der G-BA zu dem Ergebnis kommt, dass das neue Arzneimittel schlechter als die Vergleichstherapie wirkt („geringerer Nutzen“).

Kontroverse Diskussion

Die Bewertung zum Zusatznutzen kann sehr schwierig und langwierig sein: Wie bewertet man den Zusatznutzen, wenn etwa drei leichte Nebenwirkungen deutlich seltener bei dem neuen Arzneimittel auftreten als bei der Vergleichstherapie, das neue Präparat aber Schmerzen schlechter lindert? Zu welcher Bewertung kommt man, wenn sich Schmerz und Morgensteifigkeit verbessern, aber Durchfälle zunehmen? Wie bewertet man den Zusatznutzen, wenn schwere  Nebenwirkungen zwar zunehmen, aber nur zu einem geringen Prozentsatz in einer bestimmten Untergruppe der Betroffenen?

Die Vertreter der Ärzteschaft, von Krankenhäusern und der gesetzlichen Krankenkassen kommen dabei oft zu unterschiedlichen Ansichten. Auch die Patientenvertreter der Deutschen Rheuma-Liga müssen sich eine Meinung bilden. Sie vertreten diese im G-BA im Sinne aller Patienten. Nachdem in mehreren Arbeitsgruppensitzungen und im Unterausschuss des G-BA die Argumente ausgetauscht worden sind, kommt es zur Beschlussfassung im Plenum. Diese Sitzungen sind in der Regel öffentlich.

Nutzen in Euro und Cent

Der Beschluss im Plenum, also das Ergebnis der frühen Nutzenbewertung, ist ausschlaggebend dafür, wie viel die gesetzliche Krankenversicherung für ein neues Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff zahlt. Wenn das neue Arzneimittel einen Zusatznutzen gegenüber den bisher auf dem deutschen Markt existierenden Arzneimitteln hat, verhandeln im vierten und letzten Schritt der GKV-Spitzenverband und der Hersteller innerhalb von sechs Monaten, welchen Betrag die gesetzlichen Krankenkassen für das Arzneimittel erstatten.

Kommt es innerhalb eines halben Jahres zu keiner Einigung, setzt eine Schiedskommission den sogenannten Erstattungsbetrag fest. Diese Verhandlungen sind geheim. Erkennt der G-BA keinen Zusatznutzen für ein neues Arzneimittel an, wird auf andere Art und Weise ein Erstattungsbetrag vereinbart. Am Ende dürfen bei diesem Beispiel die Jahrestherapiekosten nicht höher liegen als für die Vergleichstherapie.

Positive Erfahrungen

Das AMNOG hat sich bewährt: Krankenkassen zahlen nur so viel für ein neues Arzneimittel, wie es dem ermittelten zusätzlichen Nutzen entspricht. Von 2011 bis 2019 haben nur rund ein Prozent der neuen Arzneimittel einen „erheblichen Zusatznutzen“ zugesprochen bekommen. Ein „beträchtlicher Zusatznutzen“ wurde bei rund 22 Prozent und ein „geringer Zusatznutzen“ bei 16 Prozent beschlossen. Das bedeutet aber auch, dass bei rund 60 Prozent der neuen Arzneimittel kein Zusatznutzen erkennbar war oder dieser nicht beurteilt werden konnte.

Das Verfahren macht sich auch finanziell bemerkbar: Durch den aufwendigen Prozess sparen die gesetzlichen Krankenversicherungen pro Jahr rund 3,2 Milliarden Euro – Tendenz steigend. Das AMNOG schont also die finanziellen Ressourcen des Gesundheitssystems. Das kommt Menschen mit chronischen Erkrankungen im besonderen Maß zugute, weil sie ihr Leben lang auf die Bezahlbarkeit der neuesten, wirksamen Therapien angewiesen sind. Darüber hinaus ist die frühe Nutzenbewertung ein sehr fortschrittliches Instrument, weil auf mehreren Ebenen eine intensive Patientenbeteiligung erfolgt. Die Patientenvertreter der Deutschen Rheuma-Liga haben heute das Gefühl, dass ihre Erfahrungen im G-BA wirklich von Interesse sind und auch eine Rolle bei den Entscheidungen im Plenum spielen. 

Autor: Dr. Jürgen Clausen, Referent Forschung, Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband e.V.

Unser Einsatz

Die Deutsche Rheuma-Liga wird überall dort aktiv, wo Rheumabetroffene von Gesetzesvorhaben und Richtlinien der Selbstverwaltung betroffen sind.

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