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Was hilft bei Arthrose? Ein Blick in die Leitlinien

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Ratgeber Arthrose
Die Ratgeberbroschüre "Leben mit Arthrose" der Deutschen Rheuma-Liga klärt über die Erkrankung, Therapien sowie Chancen und Risiken von Gelenkoperationen auf.

Medikamente, Spritzen, Operationen – was hilft bei Arthrose und von welchen Therapien sollte man die Finger lassen? Ein Blick in die Leitlinien

Die medizinische Fachwelt stimmt sich international durch Abfassung von Leitlinien ab, die innerhalb weniger Jahre stetig überarbeitet werden. Alle paar Jahre fließen die neuesten Erkenntnisse in die aktualisierten Versionen mit ein. So auch für Arthrose – und die nächste Leitlinienaktualisierung für Kniearthrose ist für Ende 2022 vorgesehen, für die Arthrose des Hüftgelenks Ende 2023.

So gewährleisten Ärzte, dass sich medizinisches Handeln überall auf der Welt an dem gleichen wissenschaftlich fundierten Wissen orientiert. Dies schafft Sicherheit bei allen Beteiligten, Patienten, Ärzten und Kostenträgern.

Arthrose braucht erfahrene Ärzte

Viele haben Arthrose und wissen es nicht – und das ist gut so: Nur etwa ein Viertel der Menschen mit arthrotischen Veränderungen im Röntgenbild leiden auch an arthrotischen  Gelenkschmerzen. Was sagt uns das? Die Diagnose Arthrose fußt eben nicht nur allein auf dem Röntgenbefund oder einem anderen bildgebenden Verfahren wie Magnetresonanztomografie (MRT), Computertomografie (CT) oder Ultraschall. Vielmehr stellen kundige Ärzte diese Diagnose, wenn sie Erkenntnisse aus Anamnese, ihrem Untersuchungsbefund und der Bildgebung vor dem Hintergrund großer Erfahrung zusammenfassen.

Schließlich gibt es noch eine Menge anderer Erkrankungen rund ums Gelenk, die ebenfalls Schmerzen verursachen. Oft kann nur der Untersuchungsbefund die Arthrose von anderen Erkrankungen abgrenzen. Muskelüberlastungssyndrome oder Bänderreizungen sind ein gutes Beispiel dafür. Fatal, wenn eine Bänderreizung nicht erkannt wurde und stattdessen aufgrund nur eines Röntgenbildes die Diagnose Arthrose gestellt wird. Glücklicherweise wird ja nicht immer gleich operiert, sondern – wie auch in den Arthroseleitlinien empfohlen – Bewegungstherapie empfohlen.

Bewegung – je mehr, desto besser?

Viel hilft viel – dieser Satz stimmt in der Medizin selten, in der Arthrosetherapie hat er jedoch seine Berechtigung. Wissenschaftliche Studien belegen, dass drei Trainingseinheiten pro Woche besser sind als zwei. Wer noch weniger Bewegungstherapie bekommt, wird keinen Effekt spüren. Wie die Bewegungstherapie konkret aussieht, muss jeder Betroffene für sich in Absprache mit dem behandelnden Arzt entscheiden. Dabei geht es darum, relevante Teile des Alltags aktiv zu gestalten.

Neben verordneter Krankengymnastik und Funktionstraining bei der Rheuma-Liga bleibt immer noch viel Raum für Gymnastik in den eigenen vier Wänden, für Spaziergänge und Radtouren. Dabei ist es übrigens gleichgültig, ob Sie sich dabei von einem Elektromotor helfen lassen, denn es geht ausschließlich darum, dass das Gelenk bewegt wird. E-Bikes oder Pedelecs könnten eventuell zeitsparend auf ohnehin erforderlichen Wegen zum Einsatz kommen. Wer feststellt, dass häufige Bewegungstherapie dauerhaft gut anschlägt und dass er schon immer einen Hund haben wollte, ist gut beraten, sich diesen Wunsch zu erfüllen. In einigen Studien war Bewegungstherapie im Trockenen der Wassertherapie hinsichtlich Schmerzreduktion und Funktionsverbesserung ebenbürtig. Eine andere Untersuchung kommt dagegen zu dem Schluss, dass die Wassertherapie der landbasierten überlegen ist.

Sogenanntes progressives propriozeptives Training konnte die Wirksamkeit der Bewegungstherapie noch steigern. Darunter versteht man ein spezielles Koordinationstraining, das gezielt die Tiefenmuskulatur anspricht.

Lieber cremen als Tabletten schlucken

Die Arthrose-Leitlinien beurteilen Medikamente sehr unterschiedlich. Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wie Diclofenac oder Ibuprofen sind als Creme oder Salbe am risikoärmsten und sollten wo möglich in dieser Form eingesetzt werden. Die Leitlinien sehen dies aber nicht als Langzeittherapie vor. Betroffene mit Vorschädigungen am Magen sollten gegebenenfalls zusätzlich ein Magenschutzpräparat einnehmen, wenn sie NSAR verwenden. Ist die Gabe dieser Schmerzmedikamente wegen der Nebenwirkungen nicht machbar, können weder Glucosamin noch Chondroitinsulfat empfohlen werden.

Der Grund ist der fehlende Nachweis für die Wirkung. Öffentlich finanzierte Studien belegen, dass Chondroitin nicht besser wirkt als ein Scheinpräparat ohne Wirkstoff (Placebo). Schmerzlinderung erfolgte nur in sogenannten Subgruppen, also nicht für die breite Masse der Anwender. Nach wie vor gibt es keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass Chondroitinsulfat den Knorpel schützt. mobil weist auf diesen Sachverhalt übrigens seit Jahrzehnten hin. Noch schlechter sieht es für Paracetamol aus. So heißt es wörtlich in den Leitlinien: „Paracetamol zeigt bei Patienten mit Gon- und Koxarthrose keine klinisch signifikante schmerzlindernde Wirkung.“

Das letzte Mittel der Wahl: Opioide bei Arthrose

Nicht wegen mangelnder Wirkung, sondern wegen zu ernster Nebenwirkungen sind die Opioide ebenfalls in die letzte Reihe gerutscht. Offensichtlich schlagen die katastrophalen Erfahrungen dieser Substanz bei massenhafter Anwendung in den USA auch bei uns durch. Dort gibt es große Probleme mit Opioidabhängigkeit. Für diese Wirkstoffgruppe sehen die Leitlinienkommissionen nur noch eine Indikation unmittelbar vor der Operation und bei nicht operationsfähigen Patienten.

Im Klartext: Bevor man Opioide dauerhaft einnimmt, sollte man sich besser operieren lassen. Pflanzliche Medikamente werden unterschiedlich bewertet. Während für Arnikagel eine Wirksamkeit annähernd wie die der NSAR attestiert wird, ist eine Aussage zu Ingwer ebenso wenig möglich wie zu Kurkumaextrakten. Beinwell ist schwach wirksam.

Spritzen? Kommt ganz darauf an

An der Indikation für Kortisoninjektionen direkt in stark „entzündete“ Gelenke (aktivierte Arthrose) hat sich nichts geändert. Allerdings können hohe Dosierungen den Knorpel zusätzlich schädigen – dies begrenzt die sonst gute Wirksamkeit. Spritzen mit Hyaluronsäure werden weiterhin empfohlen für diejenigen Patienten, die von einer Therapie mit NSAR nicht profitieren können. Dies wird damit begründet, dass der individuelle Therapieerfolg aufgrund der Datenlage nicht vorhersehbar ist. Unter dem Kürzel PRP versteht man plättchenreiches Plasma, also eine Injektion von aus Eigenblut gewonnenem Plasma in das Gelenk. Diese Behandlung wird weder in der neu erschienenen Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) noch in internationalen Leitlinien empfohlen.

TENS und Co. wirken nicht

Als nicht, schwach oder nicht allein wirksam gelten folgende Therapien:

1. TENS (Elektrische Nervenstimulation über Hautelektroden),

2. Neuromuskuläre elektrische Stimulation (NMES),

3. Magnetfeldtherapie,

4. Infrarottherapie,

5. Vibrationstherapie,

6. Lasertherapie.

Dabei gibt es durchaus wirksame Therapien:

  • Sprung- und Kniegelenkorthesen,
  • Schuhzurichtungen mit Außenoder Innenranderhöhung,
  • Kniebandagen,
  • Impulsschall bei der Ultraschalltherapie,
  • Mikrowellen,
  • kontinuierliche Kurzwelle,
  • Interferenzstrom,
  • Stoßwellentherapie,
  • Traktionsbehandlung,
  • Ergotherapie,
  • Schlammpackungen.

Auch Akupunktur hilft, wenn es darum geht, den Arthroseschmerz kurzfristig zu lindern. Die Langzeitwirkung ist fraglich.

Operation – nicht immer eine gute Lösung

Der Gelenkersatz durch eine Endoprothese ist zweifelsohne das Ende der Arthrose, aber leider nicht immer das Ende der Beschwerden. Die Zufriedenheitsraten stimmen nachdenklich – nur 43 Prozent der Patienten sind nach einer Studie der Barmer mit ihrer Knieprothese zufrieden. In dem Report dazu heißt es: „In Abhängigkeit vom Stadium der Erkrankung und
dem Leidensdruck des Patienten sollte die Operation erst erwogen werden, wenn die konservative Therapie die Schmerzfreiheit nicht ausreichend wiederherstellen konnte.“

Meine Empfehlung an Arthrosepatienten: Vor eine Operation haben die Leitlinienautoren eine gehörige Portion Erwägen, Abwägen und jede Menge konservative Therapie gestellt. Halten Sie sich fern von Ärzten, die Ihnen allein anhand des Röntgenbildes zur Operation raten, ohne Sie zuvor untersucht und Ihre Schmerzen im Rahmen einer längeren Anamnese geklärt zu haben. as Röntgenbild offenbart oft arthrotische Veränderungen bei Menschen, die keine Beschwerden haben. In Regionen mit wenigen Orthopäden wird mehr als dreimal so häufig operiert wie in Regionen, in denen viele Orthopäden praktizieren. Im Übrigen hat sich das alte Mantra der Rheuma- Liga wieder einmal bestätigt: bewegen, bewegen, bewegen!

Autor: Dr. Martin Quarz ist Orthopäde und ehemaliger Chefarzt der Reha-Kliniken Bernkastel-Kues und ärztlicher Berater der Mitgliederzeitschrift "mobil".

Ratgeber zum Thema Arthrose